Sebastianus 21.01.1996:
Schützengesellschaft - Schützenbruderschaft
In der Sebastianusmesse hält Präses Fritz Frank folgende Predigt:
In der Chronik ''400 Jahre Schützentradition in Flittard'' heißt es u.
a.: ''Jakob Herkenrath, Pfarrer in Flittard von 1830 – 1842
verdanken wir... die ersten ausführlichen Nachrichten über unsere
Bruderschaft. Seine Aufzeichnungen befinden sich im Flittarder
Pfarrarchiv und beginnen wie folgt: 'Auszug aus einem alten Buch,
so die Schützenverbrüderung nachweiset. 1696 den 28ten August
ist diese Schützen - Verbrüderung aufgerichtet worden...'
Es ist nicht geklärt, von welchem alten Buch Pfarrer Herkenrath
spricht... Allerdings müssen wir davon ausgehen, dass bis zum
Jahre 1696 in Flittard-Stammheim eine Schützengesellschaft
bestanden hat, welche sich erst mit obigem Datum in eine
Schützenverbrüderung (oder Bruderschaft) umbenannte.
Dass die Schützengesellschaft die unmittelbare Vorläuferin der
Schützenbruderschaft gewesen sein muss, geht ebenfalls aus den
Aufzeichnungen Herkenraths hervor. Er erwähnt, dass im Jahre 1698
dem neuen Schützenkönig Johannes Rheindorf der Vogel mit 18 Schilden und 11 Pfennigen
übergeben wurde. Diese Schilder und Pfennige sind bis heute erhalten geblieben und also ohne
Schwierigkeiten von der Bruderschaft übernommen bzw. akzeptiert worden. Dass es sich bei den
Mitgliedern der vorherigen Schützengesellschaft und der nachmaligen Bruderschaft ohnehin (wohl)
um die gleichen Personen gehandelt hat, kann man am besten an der Person des Heinrich
Odenthal nachweisen. Dieser war nämlich Schützenkönig der Schützengesellschaft (1689/90) und
der Bruderschaft (1699/1700).
Am 28. August 1696 wird also aus der Schützengesellschaft eine Bruderschaft.
Aus den Aufzeichnungen Herkenraths geht eindeutig hervor, wie wir eben gehört haben, dass die
Bruderschaft keine Neugründung war, sondern dass sich die bisherige Schützengesellschaft in
eine Bruderschaft umwandelte. Das 400jährige Jubiläum der Schützen wurde 1994 also völlig zu
Recht gefeiert.
Es kommt öfter vor, dass Gemeinschaften und Institutionen im Laufe der Zeit ihren Namen und
teilweise auch ihre Zielsetzungen ändern. Ein Beispiel dafür ist unsere Frauengemeinschaft, die in
diesem Jahr ihr 90 jähriges Bestehen feiert. Sie ist als Mütterverein gegründet worden, nicht als
KFD.
Der 28. August 1696 ist dennoch ein wichtiges Datum. D.h. In diesem Jahr 1996 existieren die
Schützen 300 Jahre als Bruderschaft. Dieses 300 jährige Bruderschaftsjubiläum ist uns Anlass,
über unsere Bruderschaft nachzudenken.
Die Bruderschaften waren das Laienapostolat des Mittelalters. Sie sollten und wollten das
kirchliche Leben stärken und nach innen vertiefen. Christus sollte in den Herzen der Brüder
lebendig sein. In den Bruderschaften wurde der Gedanke gepflegt, dass der Mitmensch wirklich
Schwester oder Bruder sei, im Sinne des heutigen Evangeliums: ''Einer ist euer Meister, ihr alle
aber seid Brüder.''
Damals, als es noch keine Kranken- und Sozialversicherungen gab, war man viel mehr als heute
auf den mitbrüderlichen Kontakt, auf die Solidarität von Familie zu Familie, von Mann zu Mann,
von Frau zu Frau, angewiesen. Das erklärte Ziel war die Nachbarschafts- und Bruderhilfe in allen
leiblichen und seelischen Nöten. Deshalb spielten die leiblichen und geistlichen Werke der
Barmherzigkeit eine große Rolle.
Schützenbruderschaften schützten darüber hinaus das Allerheiligste v. a. bei Prozessionen.
Was ist von diesen ursprünglichen Zielen heute geblieben?
Viele damalige Aufgaben werden heute vom Staat wahrgenommen, z.B. durch die Sozialversicherungen. Brüderlicher Geist begegnet uns heute in unserer Bruderschaft z.B. bei:
Auch die Überweisung von 500.- € pro Jahr für Priesterausbildung ist
ein solches gutes Werk in brüderlichem Geist. Aber reicht das aus, um
aus einem Schützenverein, der nahezu ausschließlich Schießsport und
Geselligkeit pflegt, eine Schützenbruderschaft zu machen? Ich habe
drei Träume, die, wenn sie sich erfüllen würden, das Eigentliche der
Bruderschaft deutlicher zum Ausdruck bringen würden: Bei unserer
Prozession an Christi Himmelfahrt tragen seit alter Zeit Offiziere den
Prozessionshimmel, einige Schützenbrüder begleiten die Prozession,
einige Schützen helfen selbstlos beim Auf- und Abbau auf dem
Georg-Zapf-Platz. Aber es ist nach meinem Eindruck zunehmend
schwieriger, Schützenbrüder zu diesen Diensten zu bewegen. Die Dienste
bei Prozession und Gottesdienst werden nicht mehr als Bereicherung
empfunden, als Bruderdienst für Jesus Christus, sondern der Vatertag
und der Ausflug mit Gleichgesinnten scheint häufig wichtiger zu
sein.
Ich träume davon: Die Schützenbrüder begleiten mit der gleichen
Begeisterung und Anteilnahme, die sie für ihre eigenen Umzüge beim
Schützenfest aufbringen, auch die Pfarrprozession; durch ein von ihnen
ebenso schön geschmücktes Flittard wie beim Schützenfest. Im Jahre des
300 jährigen Bestehens der Bruderschaft wäre dies doch des Schweißes
der Erde wert.
Der Entwicklung einer Streitkultur gilt mein zweiter Traum. In der
Mitgliederversammlung, in Vorstands- und Offiziersversammlungen
treffen unterschiedliche Meinungen z.T. hart aufeinander, es wird viel
diskutiert und oft auch gestritten. Das ist normal. Denn Konflikte
sind unvermeidlich. Eine Bruderschaft sollte sich dabei durch die Art
und Weise auszeichnen, wie bei solchen Diskussionen miteinander
umgegangen wird.
Dazu gehört u. a.: